1.5.2.3 Funktionale, kommunikative, pragmatische Grammatik

In der deutschen Grammatikforschung der 50-er Jahre entwickelte sich eine neue Forschungsrichtung, die die Grammatiktheorie auf die marxsche Lehre von der Sprache aufgebaut hat. Ein Kennzeichen dieser Forschungsrichtung ist die Verwertung der marxschen Erkenntnistheorie f?r die Entwicklung der Grammatiktheorie. Marx bezeichnete die Sprache als materielle H?lle des Gedankens und Medium der gesellschaftlichen Kommunikation und entwickelte das dialektische Gesetz der unl?slichen Einheit von Inhalt und Form. Daraus haben die Grammatikforscher eine Schlussfolgerung gezogen, dass die Grammatiktheorie ein Teil der allgemeinen Sprachwissenschaft sei und dass beide eine gemeinsame methodologische Grundlage haben. Sprachliche Inhalte und Formen wurden ausgehend vom bilateralen Charakter der Sprache untersucht und dargestellt.

Eine der ersten Gesamtdarstellungen der deutschen Grammatik aus der marxistischen Sicht, p?dagogische Hochschulen bestimmt, verfasste Wilhelm Schmidt.

Die zweite Eigenschaft dieser Forschungsstr?mung ist das Interesse zu der der kommunikativen Funktion der Sprache. In den Interessenbereich geraten auch au?ersprachliche Komponenten, wie Gespr?chspartner.

Es wurden verschiedene Wege eingeschlagen, um an den kommunikativen Aspekt der Sprache heranzugehen. W. Schmidt spricht von der funktionalen Grammatikforschung in Zusammen lang mit der Aufgabe der Grammatik, „das Funktionieren der sprachlichen Mittel i m Kommunikationsprozess zu erforschen“ (W. Schmidt [47: 26]). Dabei hebt Schmidt die Funktion als einen der Grundbegriffe der Grammatik hervor. W. Schmidt bestrebt das konsequente Auseinanderhalten der Termini Bedeutung (Inhalt) und Funktion, w?hrend viele Forscher (z.B. Erben) sie als Synonyme gebrauchen.

Gem?? der bilateralen Auffassung des sprachlichen Zeichens als Einheit von Inhalt und Form wird die Bedeutung als sprachinternes Ph?nomen betrachtet (ebenda):Wir fassen die Bedeutung eines sprachlichen Zeichens als etwas Gedankliches, als ein Abbild von etwas auf (Georg Klaus). Zum Unterschied von der Bedeutung ist die Funktion nach W Schmidt ein sprachexternes Ph?nomen:„Unter Funktion verstehen wir die vom Sender bei der Kommunikation intendierte und in der Mehrzahl der F?lle auch erzielte Wirkung der Sprache auf den Empf?nger. Funktion ist also grunds?tzlich sprachextern: sie ist der Output, der kommunikative Effekt, den wir bei der Verwendung von Sprache erzielen (W. Schmidt [47: 245]). Kommunikativer Effekt der sprachlichen Mittel beruht darauf, dass jedes sprachliche Zeichen eine Bedeutung hat; aber er (der Effekt) ist auch sprachextern bedingt, und zwar durch die soziologischen und psychologischen Faktoren des Verh?ltnisses der sprachlichen Zeichen zu den sie gebrauchenden Menschen.

Die Hauptlinien der neuen Forschungsrichtung sind deutlich erkennbar:

1. Die ?berwindung der Einseitigkeit „asemantischer“ Forschungsmethode und der idealistischen Grunds?tze der neohumboldtianischen „Inhaltforschung“ und die Postulierung der dialektischen Verbindung von Inhalt und Form bei der Behandlung des grammatischen Systems.

2. Die Hinwendung zu den Problemen der kommunikativen Funktion der Sprache als Medium der gegenseitigen Verst?ndigung unter den Menschen. Indem W. Schmidt ?ber die kommunikative Funktion spricht, ist er bestrebt, die Termini "Bedeutung" und "Funktion" grunds?tzlich auseinanderzuhalten (im Unterschied zu den anderen Forschern, die diese Termini als Synonyme gebrauchen, z.B. J. Erben [29: 92]).

Die Bedeutung ist die inhaltliche Seite des sprachlichen Zeichens: „Wir verstehen unter der Bedeutung die abstrahierende Widerspiegelung eines Gegenstandes, einer Erscheinung oder einer Beziehung der objektiven Realit?t im Bewusstsein der Angeh?rigen einer Sprachgemeinschaft, die traditionell mit der Form zu der strukturellen Einheit des sprachlichen Zeichens verbunden ist“ (W. Schmidt „Zur Theorie der funktionalen Grammatik“[48:140]).

Die Bedeutung ist, also, sprachinternes Ph?nomen; die Funktion – ein sprachexternes Ph?nomen. Unter Funktion versteht W. Schmidt „die vom Sender bei der Kommunikation erzielte Wirkung der Sprache auf den Empf?nger“ “[48:145].

Im Wesentlichen in derselben Richtung geht die so genannte pragmatische Betrachtung des grammatischen Systems. Die Pragmatik als ein Teil der Erkenntnistheorie untersucht die Beziehungen zwischen den Zeichen und den Menschen, die die sprachlichen Zeichen produzieren, senden und empfangen.

Diese sprachlichen Zeichen erf?llen verschiedene Funktionen, je nachdem, zu welchem Zweck sie von den Menschen benutzt werden (Georg Klaus, zitiert nach Moskalskaja [14]):

1) Symbolfunktionen (die Sprache beschreibt Sachverhalte und Ereignisse);

2) Symptomfunktion (die Sprache dr?ckt bestimmte Gef?hle – Sympathie, Emp?rung usw. aus);

3) Signalfunktion (die Sprache ruft beim Empf?nger von Zeichen ein bestimmtes Verhalten hervor, das sich in Lust- und Unlustgef?hlen schlie?lich in bestimmten Handlungen ausdr?ckt).

Ein pragmatisches Herangehen an die grammatischen Erscheinungen ist empirisch zum Teil von der so genannten stilistischen Grammatik vorweggenommen worden.

Die sogenannte pragmatische Grammatik geht im Wesentlichen in dieselbe Richtung wie die funktionale. Georg Klaus, der Verfasser einiger philosophischen B?cher ?ber den pragmatischen Aspekt der Erkenntnistheorie, betont, dass die sprachlichen Reichen mehrere Aspekte haben. Sie sind die Existenzform gedanklicher Abbilder, Benennungen verschiedener Objekte der Au?enwelt und auch Kommunikationsmittel. Die Pragmatik ist ein Teil der Erkenntnistheorie, die gerade den letzt genannten Aspekt des sprachlichen Zeichens untersucht.

Ein pragmatisches Herangehen ist auch heute noch ein aktuelles Forschungsverfahren. Eine vollst?ndige soziologisch und psychologisch fundierte pragmatische Darstellung des grammatischen Systems ist seit 50-er Jahren ein angestrebtes Ziel.

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